Silvopastorale Systeme
Halboffene Waldlandschaften zählen zu den ältesten Formen der Landnutzung und sind seit neolithischer Zeit (4000 v. Chr.) bekannt. In Mitteleuropa war es bis ins 20. Jh. hinein weit verbreitete landwirtschaftliche Praxis, Haustiere, wie Schweine, Rinder oder Ziegen, in den Wald zu treiben, damit sich die Tiere dort an Eicheln, Bucheckern, Kastanien oder Grünfutter satt fraßen. Sogenannte Hute- oder Hudewälder findet man heute nur noch vereinzelt. Neben dem Wald wurden traditionell auch Streuobstwiesen beweidet. (Weitere Inormationen dazu auf der Website des DeFAF)
Nachdem solche klassischen Formen der gemeinsamen Bewirtschaftung von Bäumen und Nutztieren aus verschiedenen Gründen eingestellt wurden, entwickeln sich in den letzten Jahren wieder neuartige Varianten:
1. Baumpflanzungen im Auslauf von Freilandhühnern sind eine aktuelle und sehr spezielle Möglichkeit, mit Gehölzen Mehrwert auf landwirtschaftlichen Flächen zu schaffen!
Bauckhof in KleinSüstedt (bei Uelzen) (PDF)
https://www.wald21.com/huehnerauslauf/
https://bernstorff.de/themen/landwirtschaft
In den Niederlanden hat man auch schon Versuche gemacht, den Wertertrag durch die Kombination von Apfelbäumen mit freilaufenden Hühnern zu erhöhen. Da die Obstbäume aber empfndlich gegenüber Bodenversichtung und Nässe sind, sollten sie nicht direkt am Mobilstall stehen, wo die Dichte der Hühner am höchsten ist (Bericht dazu (PDF): "Commercial apple orchards in poultry freerange areas")
Da die Hühner (oder auch anderes Geflügel wie Puten und Enten) aber den Boden düngen und Blätter mit Schorf sowie Schadinsekten vertilgen, gibt es auch den Ansatz, in Obstplantagen durch das Einbringen von Geflügel die Behandlungen mit Pestiziden zu reduzieren bzw. zu vermeiden. Vor allem die Wirkung von Hühnern und Puten auf den Befall mit Apfelsägewespe, Apfelwickler und Kirschessigfliege interessieren die Obstbauern und wird deshalb aktuell (2019-2022) in zwei EIP-AGRI-Projekten des Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen (KÖN) untersucht. (Ausführlicher Bericht "Puten und Hühner als Schädlingsbekämpfer" im Landwirtschaftlichen Wochenblatt) Angesichts des wachsenden Anteils der Legehennenhaltung in Mobilställen und des mit über 8% besonders hohen Zuwachswachsrate bei den Bio-Legehennen (M. Klahsen "Positiver Wandel auf dem Eiermarkt" in Land&Forst 3/2020, S. 45) bieten sich für die Kombination von Hühnern mit Obstbäumen gute Perspektiven!
2. Bäume auf Weiden
Nachgewiesen ist, dass Hitzestress die Leistung von Milchkühen und Schweinen mindert. Ebenso wurden positive gesundheitliche Wirkungen des Weidegangs z.B. bei Milchkühen festgestellt (dazu: Dissertation von Linda Armbrecht 2017) und auch das Interesse der Verbraucher an Milch aus Weidehaltung führt zu einer Rückbesinnung auf die Beweidung von Grünland. Angesichts vermehrter Hitzewellen und Trockenperioden, aber auch bei Sturm und Regen werden nun Bäume als Schutz und als Zusatzfutter auch wieder interessant (Beispiel in Frankreich; PDF). In einer Studie in den Niederlanden wurde festgestellt, dass die Blätter und Triebe von Erlen und besonders Weiden wegen der darin enthaltenen Mikronährstoffe wertvoller für die Rinderernährung sind, als das Gras.
Als ein spezielles silvopastorales System kann man ein Wildgehege (mit Fleischproduktion) mit einem entsprechenden Baumbestand ansehen. Wenn dieses, wie im Falle des Natur-Damwild-Geheges "Torfstich" bei Calvörde, auf einer ehemaligen Ackerfläche angelegt wurde, dort viele Bäume gepflanzt und durch teilweise Wiedervernässung noch der Humusabbau im moorigen Unterboden gestoppt werden, so ist das ein hervorragendes Beispiel für "Carbon Farming". Ein ausführlicher Bericht dazu von Dr. Ernst Kürsten erschien am 24.7.2020 in der Bauernzeitung: "Vom Maisacker zum Naturparadies" (PDF).